Die Geschichte unserer Bücherei
Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Attnang-Puchheim denken?
Genau, der Bahnhof.
Ohne Eisenbahn würde es Attnang-Puchheim nicht geben. Und auch unsere Bücherei nicht.
1860 wurde ins sumpfige Niemandsland zwischen die beiden Dörfer Attnang und Puchheim ein Bahnhof gestellt. „Ein Großteil der Attnanger Bevölkerung steht der Eisenbahn ablehnend gegenüber: Fuhrleute, Schmiede, Wagner, Sattler und Wirte bangen um ihre Existenz. Dieser Ablehnung mag es wohl zuzuschreiben sein, daß die kleine Haltestelle „Attnang“ nicht in der Nähe der Ortschaft (Alt-)Attnang, sondern in die Mitte des siedlungsfreien Raumes zwischen (Alt-)Attnang und Puchheim verlegt wird“, heißt es im Buch „25 Jahre Marktgemeinde Attnang-Puchheim“ von Stefan Traxler und Helmut Böhm 1980.
Dazu wurde dem Attnanger Hausberg, dem Spitzberg, sogar der namensgebende Spitz abgegraben. Freilich nicht der Gipfel (der Spitzberg ist oben flach wie Holland), sondern eine seitliche Spitze, die bis zur heutigen Attnanger Pfarrkirche reichte. Mit dem Material der Sumpf trockengelegt.
1890, Attnang war durch die Salzkammergutbahn bereits Bahnknotenpunkt, wurde der Bahnhof von „Attnang“ in „Attnang-Puchheim“ umbenannt. 22 Jahre später, 1912, wurde auch die Gemeinde, die bis dahin nur Puchheim hieß, in Attnang-Puchheim umbenannt. Attnang-Puchheim gibt’s also nur wegen des Bahnhofs.
Als unsere Bücherei gegründet wurde, hieß die Gemeinde jedenfalls noch Puchheim. Der Geburtstag war am 8.12.1895, der Geburtsort Haager’s Gasthaus in Alt-Attnang, die Väter Eisenbahn-Gewerkschafter: die ersten drei Bibliothekare hießen Engelbert Prammer (Lampist), August Pichler (Zugführer) und Alois Stranzinger (Kondukteur).
Unsere Bücherei zählt damit zu den ältesten öffentlichen Bibliotheken Oberösterreichs. Im Jahre 1919 wanderte die Bücherei von der Wohnung eines Gewerkschaftsfunktionärs in das Bahnhofsgebäude, In den 1920er übersiedelte sie in das Arbeiterheim, der Buchbestand war auf 3000 Bände angewachsen.
Das Ende der Bücherei kam im Februar 1934, während des österreichischen Bürgerkriegs: „Meine Tante, die im Arbeiterheim wohnte, kam aufgeregt zu meiner Mutter. Atemlos erzählte sie, dass die Heimwehr im Arbeiterheim alles durchsucht und durchwühlt. In der dort befindlichen Bibliothek würden die Bücher zerrissen und auf die Straße geworfen“, erinnerte sich die ehemalige SPÖ-Nationalratsabgeordnete Edith Dobesberger, eine Tochter des damaligen Bibliothekars Johann Graf.
„Vater war einer gewesen, die aus dem Nichts eine schöne, wertvolle Bücherei der freien Gewerkschaft aufgebaut hatten. Tausende Arbeitsstunden wurden für ein bisschen Kultur für alle geleistet. Mit der Überzeugung ‚im Recht zu sein’ ging Mutter hin. Schon im Vorhaus der Bibliothek erkannte sie zwei ‚Heimwehrler’ als ihre ehemaligen Schüler. Wie sie dann den Bücherhaufen im Raum sah, brach die alte Lehrerin in ihr durch. Mutter schimpfte mit den ‚Rotzbuben’, die zwar in voller Uniform waren, aber mit schlechten Gewissen auf ihr Zerstörungswerk blickten. Die „Frau Lehrerin“ erinnerte sie noch einmal an den Wert des Buches.“ (zitiert nach „100 Jahre Bücherei der Gewerkschaft der Eisenbahner Attnang-Puchheim 1995“)
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Bücherei von Alois Ramsauer und dem bereits erwähnten Johann Graf wieder aufgebaut. Allerdings nicht mehr im Arbeiterheim, das beim Bombenangriff auf Attnang-Puchheim am 21. April 1945 zerstört worden war, sondern im Magazingebäude am östlichen Ende des Bahnhofs. Zunächst in einem Raum im ersten Stock, später in zwei Räumen mit insgesamt 48 m² im Erdgeschoss.
Damals war unsere Bücherei noch eine Theken-Bibliothek: Die Besucher standen an der Theke an, der Bibliothekar holte die gewünschten Bücher, so er sie für passend befand, aus dem Magazin.
In den 1960er erfolgte die Umstellung auf die heute noch praktizierte Freihandaufstellung, ab nun konnten sich die Leserinnen und Leser die Bücher selbst aussuchen.
1975 übergab Alois Ramsauer die Leitung der Bibliothek an Helmut Bögl. Ramsauer, der noch bis 1978 mitarbeitete, war rund 60 Jahre in der Bibliothek tätig. Sein Nachfolger brachte es auf 50 Jahre Bibliotheksdienst, Bögl arbeitete bis wenige Wochen vor seinem Tod im Februar 2024 in der Bücherei mit.
Unter Bögls Leitung passierten zwei einschneidende Veränderungen. Seit 1979 gibt es eine gemeinsame Trägerschaft zwischen Gewerkschaft und Gemeinde. Seit Herbst 1979 ist die Bücherei auch an ihrem jetzigen Standort – der Tagesheimstätte, Mitterweg 19 – untergebracht. Einem klassischen Nachkriegsgebäude, erbaut neben einer mit Kriegsschutt zugeschütteten Grube.
Die traditionsreiche und mächtige Gewerkschaft der Eisenbahner, ein Jahrhundert lang Träger der Bücherei, gibt es nicht mehr, sie ging 2006 in der Gewerkschaft VIDA auf. So heißt die Bücherei heute auch: “ÖB der Stadt und der Gewerkschaft VIDA Attnang-Puchheim“.
Ebenfalls 2006 übergab Helmut Bögl die Leitung der Bücherei an Martin Müllegger. Seit 2019 leitet sie Josef Schmidt.
Wer denkt, früher war alles besser, irrt – zumindest was unsere Bücherei betrifft. Die Entlehnzahlen, die Zahl der Medien, die pro Jahr ausgeborgt werden, steigen nämlich:
Jahr | Entlehnungen |
1965 | 7.282 |
1975 | 10.474 |
1985 | 14.137 |
2005 | 11.600 |
2015 | 16.721 |
2023 | 28.990 |
Zum Schluss noch eine Liste von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bücherei im Lauf der Jahre – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Engelbert Prammer, August Pichler, Alois Stranzinger, Johann Graf, Antonia Graf, Alois Ramsauer, Matthias Körberl, Franz Burgstaller, Zäzilia Burgstaller, Karl Slezak, Alfred Groß, Ferdinand Holzmann, Franz Schögl, Irmgard Rebhan, Helmut Bögl, Hermann Stadlbauer, Helmut Stadlbauer, Andrea Stadlbauer, Manfred Stadlbauer, Sieglinde Gruber, Renate Engler, Lotte Schürrer, Aldona Schachinger, Gisela Undesser, Arnold Zitzler, Eva-Maria Zitzler, Ulrike Eitzinger, Martin Müllegger, Maria Ertl, Sonja Ertl, Josef Schmidt, Heidi Eder, Resi Holl.